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CSR Reloaded – Warum sich Nachhaltigkeitsberichte ändern

Ein Beitrag von Kerstin Hermuth-Kleinschmidt

Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt, Diplom-Chemikerin und promovierte Mikrobiologin, selbständige Beraterin und Dozentin am Karlsruher Institut für Technologie.

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Veröffentlicht: 04.11.2021

Lesezeit: 10 Minuten

Letzte Änderung: 26.09.2023

Schlagworte:

  • #csr
  • #nachhaltigkeit
  • #nachhaltigkeitsbericht

Seit 2017 sind Unternehmen in Deutschland verpflichtet, CSR-Berichte zu erstellen. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive soll nun mehr Einheitlichkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung erreicht werden. Unsere Expertin Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt über die neue Direktive und warum diese eine gute Nachricht ist.

Paris und der Green Deal geben den Rahmen vor

Im Dezember 2019 hat Ursula von der Leyen den „Green Deal“ als neues wegweisendes Projekt vorgestellt – vergleichbar mit der Vision der Mondlandung in den 1960er-Jahren. Ziel des Green Deals ist die Transformation unserer jetzigen Wirtschaft hin zu einem nachhaltigen Wirtschafssystem, in dem 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausgestoßen werden, in der das Wachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist und die gesamte Transformation unter dem Motto „Leave no one behind“ sozial verträglich abläuft. 

Um diese Transformation zu schaffen, ist es notwendig, dass Investitionen in nachhaltige Unternehmen und Tätigkeiten gelenkt werden. Auch der Pariser Klimavertrag fordert in Artikel 2.1 (c) das Umlenken von Finanzströmen in nachhaltige Investments.  

Ein Aktionsplan für mehr Nachhaltigkeit im Finanzwesen

Mit dem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem hat die EU einen Fahrplan aufgesetzt, wie diese Forderung umgesetzt werden soll. Wichtige Fragen dabei sind:  

  • Wann ist eine Investition überhaupt nachhaltig und welche Kriterien müssen erfüllt sein? 
  • Welche Informationen über die Berücksichtigung oder auch Nichtberücksichtigung zu Nachhaltigkeitsaspekten in ihren Finanzprodukten müssen Fonds und Vermögensverwalter dazu offenlegen?

Denn nur so haben Investoren die Möglichkeit, sich für ein nachhaltiges Investment zu entscheiden. Und das Interesse an nachhaltigen Anlagen wächst: In Deutschland sind nachhaltige Fonds bis Ende 2020 um 69% gewachsen. 39,8 Milliarden Euro haben allein private Investor*innen bis Ende 2020 in nachhaltige Fonds und Mandate investiert.  

Auf EU-Ebene wird momentan an einem einheitlichen Bewertungssystem gearbeitet, auch um ein Greenwashing auf diesem Gebiet zu vermeiden. Mit der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor und der Taxonomie-Verordnung hat die EU zwei wichtige Regelwerke auf den Weg gebracht.  

Erstere regelt unter anderem eine Offenlegung darüber, wie nachhaltig ein bestimmtes Finanzprodukt ist und welche Nachhaltigkeitsrisiken oder nachteilige Auswirkungen mit der Investition verbunden sein können. Zukünftig müssen Finanzmarktakteure, wie Banken oder Versicherungen, die ein nachhaltiges Finanzprodukt anbieten, offenlegen, zu welchem der EU-Umweltziele die zugrunde liegende Wirtschaftsaktivität beiträgt. So kann man beispielsweise gezielt in Unternehmen investieren, die klimafreundliche Technologie herstellen.  

In der Taxonomie-Verordnung sind die Kriterien festgelegt, die Wirtschaftsaktivitäten erfüllen müssen, um als nachhaltig deklariert zu werden.  

So sollen sie zu mindestens einem der sechs Umweltziele beitragen:  

  • Klimaschutz 
  • Anpassung an den Klimawandel  
  • nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen 
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft  
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung  
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Gleichzeitig dürfen sie keine der anderen Umweltziele beeinträchtigen und es müssen Mindeststandards für Arbeits- und Menschenrechte eingehalten werden. All dies benötigt noch eine Unterfütterung mit exakten Kriterien. Bislang wurden nur für die ersten beiden Ziele Kriterien definiert.  

CSR-Berichte zu erstellen, ist ein relevanter Part für zukünftige Business-Strategien. Ihn zu erstellen kostet Mühe und ein gutes Stück Arbeit. Warum dann nicht gleich in wissenschaftliche Tools investieren, die Ihren CSR-Bericht auf fundierte Füsse stellen?

Die Rolle der Unternehmen

An dieser Stelle kommen nun Unternehmen mit ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung ins Spiel. Mit der seit 2014 geltenden EU-Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen sind bestimmte Unternehmen dazu verpflichtet, über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung zu berichten. In Deutschland wurde sie 2017 in deutsches Recht umgesetzt. Also alles gut? Nein – denn es gab sowohl von Stakeholder- wie Unternehmensseite Kritik an der Richtlinie.  

Von Beginn an wurde bemängelt, dass nicht genau definiert war, was genau und wie berichtet werden sollte. Zwar gab es den Verweis auf die unterschiedlichen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie die Global Reporting Initiative (GRI), UN Global Compact oder der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK), aber dies führte zu einer großen Heterogenität in der Berichterstattung. Die Berichte und die in ihnen enthaltenen Informationen waren schlicht und einfach nicht vergleichbar. Manch wichtige Informationen, wie beispielsweise Angaben zur Risikobewertung fehlten ganz oder wurden nur auf Nachfrage herausgegeben. Dies alles ist kosten- und zeitintensiv, sowohl für Unternehmen als auch für Investoren und andere Stakeholder, wie NGOs oder interessierte Kund*innen. Aus diesem Grund wurde auf EU-Ebene ein neuer Anlauf genommen, um die Berichterstattung zu vereinheitlichen und zu standardisieren.  

Ein wichtiger Baustein im Klimavertrag von Paris ist die Umlenkung von Finanzströmen in nachhaltige Investments. Die EU hat mit dem Green Deal eine Roadmap hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft formuliert. Mit dem Aktionsplan für nachhaltige Finanzierungen nimmt sie die Vorgaben von Paris ernst und hat erste konkrete Schritte auf den Weg gebracht, wie Unternehmen und Investoren dies in Zukunft umsetzen müssen.

Die wichtigsten Änderungen

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll die bislang geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ersetzen.  

1. Ein neuer Standard und mehr Informationen 

Herzstück der Direktive ist ein neuer EU-Berichtstandard, der festlegt, welche Art von Informationen ein Nachhaltigkeitsbericht enthalten muss und wie berichtet werden soll. Die Kriterien dazu werden momentan erarbeitet. Dabei wird das Rad nicht neu erfunden, sondern auf bewährte Standards, wie beispielsweise GRI, zurückgegriffen. Sicher ist bereits, dass Unternehmen ihre Strategie darstellen müssen, ihre Ziele sowie die Rolle des Vorstands und der Geschäftsführung. Dazu kommen weitere verpflichtende Angaben, wie Informationen über mögliche Nachhaltigkeitsrisiken respektive negative Auswirkungen in Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit. Auch immaterielle Anlagewerte, wie Informationen über geistiges Eigentum werden mit aufgenommen, als ein wichtiges Kriterium zur Bewertung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Apropos Zukunftsfähigkeit: auch hier wird es eine Änderung geben. So soll ein Bericht sowohl retrospektive als auch zukunftsgerichtete Informationen enthalten, um die Entwicklung über einen längeren Zeitraum besser bewerten zu können.  

2. Der Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit  

Hinter dem Grundsatz der doppelten Wesentlichkeit verbergen sich die beiden folgenden Fragen: 

  • Welche Auswirkungen hat die eigene Unternehmenstätigkeit auf Mensch und Umwelt?  
  • Welche Nachhaltigkeitsaspekte bergen Chancen oder auch Risiken für das eigene Unternehmen?

Diese beiden Perspektiven – Inside-out wie Outside-In – sollen gewährleisten, dass für jeden wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekt sowohl dessen Auswirkungen für das Unternehmen als auch die Auswirkungen durch das Unternehmen dargestellt werden. Dafür muss dieses die entsprechenden Informationen bereitstellen, beispielsweise die Höhe seiner Treibhausgasemissionen, um den eigenen Einfluss auf das als wesentlich erkannte Thema Klimawandel darzustellen. Durch Investitionen in klimafreundliche Technologien kann der eigene Beitrag zum Klimawandel reduziert werden – eine Chance für das Unternehmen. Geschieht dies nicht, können in Zukunft durch einen steigenden CO2-Preis weitere Kosten auf das Unternehmen zukommen. Und auch die steigenden Gefahren durch den Klimawandel, wie Extremwetterereignisse, veränderte Niederschlagsmuster oder höhere Durchschnittstemperaturen können Folgen für einzelne Unternehmen haben, wie Produktionsrückgänge, steigende Rohstoffkosten oder unterbrochene Lieferketten. Auch diese Risiken sollten benannt und entsprechende Konzepte zum Umgang damit erarbeitet und dargestellt werden.  

3. Die Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung steigt 

Der Nachhaltigkeitsbericht ist in Zukunft Teil des Lageberichts und damit Teil der finanziellen Berichterstattung. Damit werden die nicht-finanziellen Themen den finanziellen gleichgestellt und der Tatsache Rechnung getragen, dass ein Nachhaltigkeitsrisiko durchaus finanzielle Auswirkungen haben kann. So führten die niedrigen Pegelstände im Sommer 2018 und 2019 zu Lieferengpässen und teilweise zur Einstellung der Produktion – für die BASF bedeutete dies im Jahr 2018 einen Verlust von 250 Millionen Euro. 

Weiterhin sieht die Direktive vor, dass die Berichte extern geprüft werden müssen. Auch der Kreis der betroffenen Unternehmen wird deutlich ausgeweitet. Waren bislang in Deutschland knapp unter 500 Unternehmen von der Berichtspflicht betroffen, werden es nach Inkrafttreten der Richtlinie in Deutschland 15.000 sein und EU-weit 49.000. 

Ab 2024 sind große Unternehmen zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet. Darunter fallen Unternehmen, die mindestens zwei der drei Merkmale erfüllen:  

  • Bilanzsumme: mindestens 20 Millionen Euro 
  • Nettoumsatzerlöse: mind. 40 Mio. € 
  • Mindestens 250 Beschäftigte

Zwei Jahre später erweitert sich der Kreis dann auf kleinere, kapitalmarktorientierte Unternehmen, die zwei der folgenden drei Merkmale erfüllen:  

  • Bilanzsumme: mindestens 350.000 Euro 
  • Nettoumsatzerlöse: mindestens 700.000 Euro 
  • Mehr als zehn Beschäftigte

Schließlich – und das wird es in Zukunft Investoren, Prüfern und anderen Interessierten zumindest erleichtern – sollen die Berichte in Zukunft maschinenlesbar sein. Ein Vorteil, wenn man bedenkt, dass Nachhaltigkeitsberichte mehr als 100 Seiten umfassen können.  

Jetzt reinhören: unsere Podcastfolge zum Thema CSR & Nachhaltigkeit

Und nun?

Noch ist der genaue Berichtsstandard nicht ausgearbeitet, aber der Zeitplan ist streng getaktet. Die Richtlinie soll ab Dezember 2022 in deutsches Recht umgesetzt werden. Aber auch wenn ein Unternehmen nicht direkt betroffen ist, sollte es die Chancen sehen, die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und dem damit verbundenen Prozess liegen. 

  • Die Auseinandersetzung mit der eigenen Strategie schafft Klarheit für den Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen.  
  • Die Frage nach den relevanten Nachhaltigkeitsthemen und den damit verbundenen Nachhaltigkeitsaspekten hilft, die eigene Unternehmenstätigkeit einzuordnen.  
  • Der Dialog mit den Stakeholdern erweitert die eigene Analyse, bringt weitere Themen, sich ergebende Chancen und unterschätzte Risiken in den Fokus.  
  • Die Wesentlichkeitsanalyse hilft, aus den relevanten die wesentlichen Themen zu ermitteln. Aus einem doppelten Blickwinkel – der Inside-Out und der Outside-In-Perspektive – können Auswirkungen auf und durch das Unternehmen ermittelt werden. Dies hilft nicht nur, damit verbundene Nachhaltigkeitsaspekte zu eruieren, sondern auch Chancen und Risiken zu ermitteln.  
  • Die eigenen Ziele und sich daraus ergebende Maßnahmen können nach diesem Prozess abgeleitet werden und bilden die Roadmap hin zu einem nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen.

Fazit

Wenn der Weg hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft gelingen soll, so sind Spielregeln und Rahmenbedingungen zu definieren und einzuhalten. Mit der geänderten Berichterstattung und den flankierenden Maßnahmen hat die EU einen wichtigen Schritt getan, um nachhaltige Investitionen zu fördern und die Geldströme in die richtige Richtung zu lenken. Und jedes Unternehmen sollte sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein und seinen Weg entsprechend ausrichten – um weiterhin am Markt zu bestehen und seinen Beitrag zu einer sozialen, gerechten und ökologischen Zukunft zu leisten.  

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