Die Tourismus- und Reisewelt nach Corona
„Es braucht mehr an Solidarität und Zusammenarbeit, um die Tourismusbranche in ökologischer als auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht nachhaltiger gestalten und positive Signale für die Tourismuszukunft setzen zu können.“ Lisa Asbäck-Kreinz spricht im Expert Statement über Perspektiven für die Reisebranche nach Corona.
In meinem ersten Statement betonte ich, dass nach der Pandemie Nachhaltigkeitsagenden für die Tourismus- und Reisebranche eine tonangebende Rolle spielen werden. Nachdem man nun, nach mehr als einem Jahr Coronakrise, die wirtschaftlichen Ausmaße des globalen Tourismuseinbruchs in genaue Zahlen fassen kann, zeigt sich darüber hinaus, dass weitere Punkte auf dem Programm stehen müssen, um die Tourismusindustrie aufzurichten. Ich denke da vor allem an Dinge wie faire Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit für Frauen sowie eine verbesserte internationale Zusammenarbeit.
Da wir, trotz steigender Impfmöglichkeiten und erhöhtem Sicherheitsgefühl, auch im Sommer 2021 noch nicht von vollkommen wiedererlangter Reisefreiheit sprechen können, wird uns das Urlaubskonzept von 2020 – „Urlaub im eigenen Land“ – weiterhin begleiten. Viele europäische Länder, darunter auch Deutschland, richten ihre Marktstrategien gezielt darauf aus und investieren verstärkt in den Inlandstourismus. Die steigende Nachfrage nach Wohnmobilen, Ferienwohnungen und Urlaub in der Natur gibt also die ungefähre Reiserichtung für die kommende Zeit vor. Ein, wenn auch unfreiwillig, aber dennoch nachhaltig gesetzter Schritt in Richtung umweltfreundliches Reisen.
Nachhaltigkeitsaspekte werden auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht gefordert!
Ganz in diesem Sinne stand auch auf der, im März 2021 zum ersten Mal digital abgehaltenen, Internationalen Tourismus-Börse (ITB) das Thema „nachhaltiges Reisen“ im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Rethink, Regenerate, Restart – Tourism for a Better Normal“ wurden zahlreiche Aspekte beleuchtet, um nicht nur auf Reisewünsche, sondern auch auf die Bedürfnisse unseres Planeten sowie der im Tourismus beschäftigten Menschen, stärker einzugehen. Wenn die Natur und ihre Artenvielfalt zugrunde gehen, wird die Reisebranche in einem noch höheren Ausmaß leiden als sie es ohnehin schon tut. Auch das allseits bekannte und nur ungern diskutierte Thema „Fachkräftemangel in der Hotellerie- und Gastrobranche“ muss rascher, sozial fairer sowie mit besseren politischen Vorgaben gelöst werden.
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Kommt es zu einer Neuausrichtung überholter Urlaubsformen?
Während der Pandemie hat sich die Arbeitswelt stark verändert. Das Homeoffice mit teilweiser Präsenzanwesenheit im Büro als hybrides Arbeitsmodell wird auch nach Corona bleiben. Kann sich dementsprechend auch eine Art „hybrides Urlaubskonzept“ entwickeln und etablieren?
Wie sich die Reise- und Tourismusbranche genau entwickeln wird, kann niemand mit Bestimmtheit voraussagen. Diesbezüglich lagen auch schon etliche Zukunftsforscher*innen daneben. Aber schon vor Corona hat sich gezeigt, dass das klassische Urlaubsmodell mit einem Sommerurlaub am Meer oder in den Bergen als „schönste Zeit des Jahres“ ein Auslaufmodell darstellt – vor allem für jüngere Generationen. Hotels und Feriendestinationen mit Coworking Spaces und Arbeitsplätzen werden deshalb nicht nur im urbanen Raum richtungsweisend sein. Wie auch immer sich das Reisen und Urlauben in der postpandemischen Ära gestalten wird: die aufgestaute Reiselust wird sich, sobald es möglich ist, ihren Weg bahnen. Dafür soll auch der für Ende Juni 2021 angekündigte „Grüne Pass“ sorgen, der uns, zumindest innerhalb Europas, unsere Reisefreiheit zurückgeben soll.
Fazit:
Schätzungen der UNWTO – der Weltorganisation für Tourismus – zufolge hat die Tourismusbranche weltweit einen Einbruch von mehr als 70 % zu beklagen. Reisen auf einem Niveau wie vor Ausbruch der Coronapandemie wird laut Expertenmeinungen frühestens 2023, vielleicht sogar später, möglich sein. Global betrachtet können rund 100-120 Millionen Jobs wegbrechen. Davon sind nicht nur Tourismusbetriebe und -regionen betroffen. Auch Produzenten und Zulieferer aus den Sektoren Landwirtschaft, Ernährung oder Baugewerbe sehen sich mit einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen konfrontiert. Vor allem viele Unternehmen aus dem Klein- und Mittelstand stehen derzeit auf unsicherem Terrain. Es braucht also, wie eingangs erwähnt, mehr an Solidarität und Zusammenarbeit, um die Tourismusbranche in ökologischer als auch in ökonomischer und sozialer Hinsicht nachhaltiger gestalten und positive Signale für die Tourismuszukunft setzen zu können.
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