Community Building, Teil 2: Healthcare-Communities
In dieser zweiteiligen Serie untersuchen wir mit unserer Lead-Expertin Prof. Dr. Astrid Nelke den neuen und zugleich uralten Trend des Community Building. Die Digitalisierung hat die Community neu belebt. Die digitale bzw. virtuelle Community kann ganz verschiedene Formen annehmen, folgt aber in Aufbau, Etablierung und Betrieb bestimmten Kriterien. Mit dem zweiten Teil springen wir direkt in den Healthcare-Bereich.
Im ersten Teil der Reihe „Community Building“ haben wir dargestellt, wie erfolgreiche Communities strategisch geplant und aufgebaut werden. Fünf Aspekte sind dabei besonders wichtig: Erfolgreiche Communities
- halten für ihre Nutzerinnen und Nutzer permanent relevante Inhalte zu einem spezifischen Thema bereit,
- werden kontinuierlich gepflegt und
- ihr Erfolg laufend mit passenden, zu Beginn definierten KPIs gemessen.
- definieren bereits im Vorfeld alle relevanten Aufgaben und
- besetzen die Rollen qualifiziert. Dabei ist die insbesondere Besetzung des Community-Managers für den Erfolg der Gruppe entscheidend.
Relevanz von Online-Communities im Gesundheitsbereich
Im zweiten Teil werfen wir nun einen Blick auf Communities im Healthcare-Bereich. Im Gesundheitssektor spielt die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten sowie von Patienten untereinander eine entscheidende Rolle – genau deshalb sind Online-Communities ein besonders erfolgsversprechender Kommunikationskanal: zum einen können zentral Informationen bereitgestellt werden, zum anderen ermöglicht es den direkten Austausch zwischen allen Beteiligten.
Dieses Format ist kommunikationswissenschaftlich bereits gut untersucht. Nach der Definition nach Hattaway und McCarthy (2018) sind Communities für Patienten entweder den Brand Communities oder den Impact Communities zuzuordnen. Brand Communities werden strategisch von einem Unternehmen aufgebaut und von einem oder mehreren Community Managern unterhalten. Mit ihnen positioniert sich das Unternehmen strategisch als Experte zu einem gewählten Thema. Impact Communities charakterisiert ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl und die Unterstützung ihrer Mitglieder bei in den meisten Fällen geringen ökonomischen Ressourcen.
Typische Fragestellungen für den Aufbau einer Gesundheits-Community im Internet sind folgende:
Wie informiert sich meine spezifische Patientenzielgruppe über Gesundheit, Gesundheitsförderung und Krankheitsbilder im Internet?
Wann hält meine Patienten-Zielgruppe eine Information für glaubwürdig? Wie gelingt es, diese Patientinnen und Patienten auf meine Community-Plattform aufmerksam zu machen und an sie zu binden?
Communities im Gesundheitsbereich dienen häufig der Unterstützung von Kranken und Angehörigen. Hier unterscheiden Reifegerste und Ort (2018):
- informationelle,
- emotionale,
- instrumentelle bzw. tangible (greifbare) Unterstützung und
- Bestätigung und Unterstützung durch Begleitung.
Wichtig ist, dass Communities Menschen versammeln, die verschieden kompetent sein können. Eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Unterschieden in der Wissensaneignung (digital divide) ist deshalb unumgänglich. Das betrifft insbesondere die Frage, wie Informationen angeboten werden: Muss ich spezielle Fähigkeiten oder Technologien dafür einsetzen? Texte in einfacher Sprache, eine Visualisierung komplexer Inhalte, konkrete Darstellungen und Anwendungsbeispiele können neben der direkten Kommunikation der Mitglieder dazu beitragen, einem größeren Personenkreis den Zugang zu dem ausgewählten Gesundheitsthema zu geben. Insbesondere gesundheitliche Themen die alle betreffen müssen auch alle erreichen. Die Gesundheitskommunikation von Akteuren in der Gesundheitswirtschaft kann für Community Manager eine erste Orientierung sein. Auch gilt es, das Heilmittelwerbegesetz zu berücksichtigen.
Zwei Beispiele zeigen, wie gutes Community Management im Gesundheitswesen aussehen kann:
Community Building auf der eigenen Webseite am Beispiel der Blood Sugar Lounge
Die Blood Sugar Lounge (#BSLounge) wurde vom Kirchheim-Verlag aus Mainz ins Leben gerufen. Der Verlag ist einer der ältesten Fachverlage Deutschlands und bietet in den Bereichen Medizin und Diabetes verschiedenen Zeitschriften, Büchern und Schulungsprogramme. Er schafft Weiterbildungsmöglichkeiten für Ärzte und andere Health-Care-Professionals, im Real Life sowie virtuell.
Auch für Patientinnen und Patienten möchte der Verlag kompetenter Ansprechpartner sein. Nachdem eine Marktanalyse gezeigt hatte, dass Menschen mit Diabetes ihre Krankheit selbst am besten verstehen, wurde die #BSLounge 2014 gegründet. Patientinnen und Patienten tauschen sich hier über ihre Krankheit aus, publizieren, vernetzen sich und gestalten die Community mit.
Beim Community Aufbau wurde primär auf den Vernetzungscharakter der Seite geachtet. Nach dem Slogan „Du bist nicht allein – Wir sind viele!“ bietet die #BSLounge online verschiedene neue Community-Funktionen wie Profile, Rollen-Badges, Chat-Funktion, Gamification und die Lounger-Karte. Offline bietet die #BSLounge mit innovativen Veranstaltungsformaten wie Barcamps Raum für Vernetzung im realen Leben.
Es werden alle Themen rund um das Leben mit Diabetes behandelt, die Community bestimmt viele Themen selbst mit. Alle Themen werden von den Autoren selbst festgelegt, die auch Mitglieder sind. Auf Wunsch der Autoren wird jeden Monat ein Monatsthema festgelegt, welches aber nicht bindend ist. Die Themen sind breit gefächert von Ernährung, Sport, Reisen, Tattoos u. v. m. Monatlich erreicht die Seite rund 50.000 Besuchende, die 100.000 Seiten öffnen.
Community Building auf Social-Media-Kanälen am Beispiel von Leafly.de
Leafly.de ist das führende Wissensportal zum Thema Cannabis als Medizin im deutschsprachigen Raum in Europa. Nach der Legalisierung von Cannabis als Medizin in Deutschland im März 2017 ging Leafly.de im Mai 2017 an den Start. Mit mehr als 300.000 Zugriffen pro Monat ist das unabhängige Onlineportal heute die Informationsquelle Nummer eins zum Thema bei ärztlichem und medizinischem Fachpersonal, Apotheker*innen und Patient*innen.
Die Community für Patientinnen und Patienten zum Thema Cannabis als Medizin wurde Ende 2017 bewusst nicht auf der eigenen Seite angesiedelt, sondern in Form einer Facebook-Seite aufgebaut. Diese Seite wird aktuell von 6.168 Menschen abonniert, die dazugehörige Gruppe auf Facebook 1.636 hat Mitglieder. Pro Wochentag werden zwei relevante Themen für die Community aufgebreitet, am Wochenende wird bei Bedarf auch kommuniziert. Gewinnspiele und Befragungen runden das Angebot ab. Rund zwei Drittel der Besuchenden sind Patient*innen und Angehörige, das andere Drittel verteilt sich auf Apotheker*innen, Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige aus der Industrie.
Die Redaktion von Leafly.de nimmt die Reaktionen der Community sehr ernst. Immer wieder werden Fragen von Social-Media-Kanälen als Fachartikel aufbereitet. Die Interaktionsrate ist dabei erstaunlich hoch, die wiederkehrende Leserschaft macht 20 Prozent aus. Eine Zahl, von der viele andere Portale träumen. Auch auf den Social-Media-Kanälen ist eine hohe Interaktionsbereitschaft da. Leafly.de trägt jeden Tag dazu bei, dass über das Thema Cannabis als Medizin gesprochen wird.
Flankierend bietet Leafly.de seiner Community Videos auf dem eigenen Youtube-Channel, in denen Patient*innen von ihrer persönlichen Erfahrung mit Cannabis als Medizin erzählen. Auch Instagram und Twitter werden aktiv zur Informationsverbreitung für hochwertigen Content genutzt.
Die vorgestellten Beispiele zeigen, wie unterschiedlich erfolgreiche Online-Communities im Gesundheitswesen aufgebaut sein können – je nach Thema und Zielgruppe(n) kann es sinnvoll sein, die Community mit einer eigenen Webseite zu positionieren oder aber vorhandene soziale Netzwerke als Basis zu nutzen. Auch eine Kombination von beidem kann eine gute Möglichkeit sein, viele Menschen zu erreichen.
Literatur:
Hattaway; N. und McCarthy, E. (2018). 3 Types of Communities.
Reifegerste, D. und Ort, M. (2018). Gesundheitskommunikation. Nomos-Verlagsgesellschaft. Baden-Baden.
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