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Nachhaltige Verpackungen: Zwischen Wunsch und Realität

Ein Beitrag von Mona Nikolić

Mona Nikolić ist seit März 2021 als Partner und Project Managerin für 20blue tätig.

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Veröffentlicht: 23.11.2020

Lesezeit: 11 Minuten

Letzte Änderung: 26.09.2023

Schlagworte:

  • #ernährung
  • #nachhaltigkeit
  • #verpackung

Klimakrise, Umweltsorgen, Verpackungsmüll: Mit dem wachsenden Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit und dem Wunsch, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten, wächst auch der Wunsch nach nachhaltigen Verpackungsalternativen. Nimirum-Autorin Mona Nikolic hat sich das einmal genauer angeschaut.

19 Mio. Tonnen oder 227,5 Kilo pro Kopf – diese Menge an Verpackungsmüll produzierte die Bevölkerung der Bundesrepublik im Jahr 2018. Laut Umweltbundesamt stieg die Menge an Verpackungsmüll damit erneut, um 1 Kilo pro Kopf gegenüber dem Vorjahr. Fast die Hälfte (47%, 8,9 Mio. Tonnen bzw. 107,7 Kilo pro Kopf) davon entfiel auf Privathaushalte.

Umweltverbände schlagen aufgrund der stetig wachsenden Mengen an Verpackungsmüll Alarm. Und auch unter Verbraucher*innen steigt die Sensibilität für die Umweltproblematiken, die mit Verpackungsmüll einhergehen. Über eindringliche Bilder oder Dokumentationen über vermüllte Weltmeere, zum Beispiel David Attenboroughs Serie Blue Planet II oder der Film A Plastic Ocean, erlangte das Thema Plastikmüll die Aufmerksamkeit der globalen Bevölkerung.

Laut einer Umfrage im Auftrag der GfK zählten 2019 der Klimawandel und das Thema Plastikmüll zu den größten Umweltsorgen der Europäer*innen.

Mit den Umweltsorgen wuchs auch der Wunsch, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten. Generationenübergreifend ist unter Verbraucher*innen in Deutschland dabei der Verzicht auf Plastik das angestrebte Ziel. Und es ist die am häufigsten umgesetzte Maßnahme für einen nachhaltigen Lebensstil.

Die aktuelle Debatte um nachhaltige Verpackungen findet in Deutschland vor diesem Hintergrund statt.

Nachhaltige Verpackungen für einen nachhaltigen Lebensstil

Wenn es darum geht, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten stehen Verpackungen im Fokus der Verbraucherinnen in Deutschland. Neben dem gänzlichen Verzicht auf Verpackungen stehen u.a. der Umstieg auf plastikfreie Verpackungsalternativen und Mehrwegsysteme für Verbraucherinnen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zur Debatte.

Dies verdeutlicht auch eine von Orange Ocean durchgeführte Globale Umfrage zum Thema Plastikverschmutzung der Weltmeere. Danach können sich deutsche Verbraucher*innen u.a. folgende Maßnahmen zum Plastikverzicht vorstellen:

  • Mehrweg- statt Einwegflaschen kaufen/verwenden (62,6%)
  • Plastikfreie Verpackungsmaterialien, beispielsweise Papier, verwenden (59,8%)
  • Wasser und andere Getränke in Glasflaschen anstatt in Einwegverpackungen (48,1%)
  • Auf den Kauf von in Plastik verpackten Produkten verzichten (46,7%)
  • Auf in Plastik eingepackte Fertiggerichte verzichten (46,7%)

Die Verantwortung dafür, das eigene Leben nachhaltig zu gestalten liegt bei den Verbraucherinnen selbst. Diese Überzeugung teilen Verbraucherinnen in Deutschland – in einer Studie der internationalen Data and Analytics Group YouGov zum Thema Nachhaltigkeit im Bereich Food stimmten 85% der weniger nachhaltigen und 96% der nachhaltigen Verbraucher*innen dieser Aussage zu. 
Unterstützung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit erhoffen und erwarten sich Verbraucher*innen dabei jedoch auch von der Verpackungsindustrie sowie dem Handel und der Politik.

Die dritte Auflage unseres Research Papers AUSGEPACKT: Mythencheck nachhaltige Verpackungsmaterialien ist erschienen.

Research Paper: Ein wissenschaftlich fundierter, zugleich anwendungsbezogener Einblick in aktuelle Debatten. Wir nehmen Makro- und Mikrotrends unter die Lupe, prüfen die Fakten und entwickeln mit interdisziplinärem Blick praktikable und stimmige Lösungswege.

Was wünschen sich Verbraucher*innen beim Thema Verpackungen im Lebensmittelbereich?

Grundsätzlich gilt bei Verpackungen aus Verbraucherinnensicht zunehmend: Weniger ist mehr. Deutsche Verbraucherinnen wünschen sich, dass Hersteller auf Verpackung verzichten, sollte diese nicht nötig sein.

Verpackung sollte sich nach Verbraucheransicht auf ihre Kernfunktion beschränken. Diese Kernfunktion von Verpackungen bleibt der Schutz der verpackten Ware. Die Verpackungen sollen die Qualität der verpackten Ware sichern und sie vor Verunreinigung und Verschmutzung schützen. Kurz: Beim Thema Verpackung bleibt der Hygieneaspekt zentral.

Übersetzt auf die Eigenschaften von Verpackungen bedeutet dies: Die Stabilität und die Barrierefunktion der Verpackung sind für Verbraucherinnen wichtig. Zudem zeichnet sich eine gute Verpackung aus Verbraucherinnensicht durch leichte Handhabung aus.

Diesen Aspekten sind Nachhaltigkeit und Recycelfähigkeit noch nachgeordnet. Sie gewinnen als Kriterien für die Verpackungsbewertung allerdings an Bedeutung. In Umfragen äußerten Verbraucher*innen in den letzten Jahren verstärkt den Wunsch nach nachhaltigen, biologisch abbaubaren oder recycelbaren Verpackungsalternativen. Zentral war dabei der Wunsch, auf Plastik und Kunststoff zu verzichten.

Der Wunsch nach Nachhaltigkeit und das tatsächliche Einkaufsverhalten

In Umfragen bekunden Verbraucher*innen ihre Absicht, auf Plastikverpackungen verzichten zu wollen und/oder vermehrt auf Mehrweglösungen zu setzen, um so das Müllaufkommen zu verringern. Diese Absicht hat Auswirkungen auf die Wahl der Produkte und der Kauforte.

Laut Two Sides Packaging Report 2020 stimmten 46% der europäischen Befragten der Aussage zu „Ich kaufe jetzt mehr von Einzelhändlern, die auf Kunststoffverpackungen verzichten.“

Fast die Hälfte der in der Studie befragten Konsumenten (48%) könnte sich zudem vorstellen, Einzelhändler zu meiden, sollten diese sich nicht um die Reduktion von Kunststoffverpackungen bemühen.

Das Verbraucher*innen auch auf den Kauf von Produkten verzichten, wenn die Produktverpackung in ihren Augen nicht nachhaltig ist, zeigt u.a. eine YouGov-Umfrage zum Thema Nachhaltigkeit im Bereich Food. Gleichzeitig verdeutlicht diese Umfrage aber auch die Kluft zwischen Personen, die auf Nachhaltigkeit achten und denjenigen, die es nicht tun. Während 78% der nachhaltigen Personen angaben, im Supermarkt schon mal ein Produkt nicht gekauft zu haben, um Verpackungsmüll zu vermeiden, waren es nur 30% der wenig an Nachhaltigkeit interessierten Personen.

Wenn das Thema Nachhaltigkeit für die Verbraucher*innen auch insgesamt an Bedeutung gewinnt, ist ein nachhaltiger Lebensstil nach wie vor auch eine Frage des Geldbeutels und der eigenen Weltanschauung.

Verbraucherinnen wünschen sich mehr Nachhaltigkeit beim Thema Verpackung. Doch die steigenden Verpackungsmüllmengen verdeutlichen die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität. Der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich Verpackungslösungen auf Verbraucherinnenseite erfolgt nur schleppend. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe. Drei wollen wir hier kurz vorstellen:

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit ist ein bedeutender Trend im Konsumverhalten.

Dass Nachhaltigkeit für sie persönlich beim Lebensmitteleinkauf wichtiger werden wird, nahmen 2020 ca. die Hälfte (48%) aller Befragten in der YouGov-Studie Nachhaltigkeit im Food Bereich an. Als Warenkategorien, in denen das Thema Nachhaltigkeit in Zukunft besonders wichtig sein wird, macht die Studie die Produktkategorien Obst und Gemüse, Fleisch- und Wurstwaren sowie Milch und Molkereiprodukte aus.

Für andere Warenkategorien, wie z.B. Snacks oder Tiefkühlware, ist das Thema Nachhaltigkeit jedoch weniger bedeutend. In diesen Produktkategorien achten Verbraucher*innen insgesamt weniger auf Nachhaltigkeit und damit auch weniger auf die Nachhaltigkeit der Verpackung. Und während Verbraucher*innen z.B. Obst und Gemüse schon aus Gewohnheit unverpackt kaufen, ist Nachhaltigkeit in puncto Verpackung bei Produktkategorien wie Snacks und Fertigprodukten für Verbraucher*innen schwer umzusetzen.

Bedeutend ist dies vor dem Hintergrund, dass Nachhaltigkeit ein wichtiger, aber nicht der einzige Trend im Konsumverhalten ist. In Verbindung mit den Megatrends Mobilität und Convenience wurde mobile Verpflegung (vor Corona) zur Normalität. Heavy Snackers waren auf dem Vormarsch. Insbesondere junge Menschen griffen überdurchschnittlich oft zu Fertiggerichten, Snacks und Fast Food. Laut einer Forsa-Studie zum Verpackungskonsum griffen 2019 68% der 14- bis 19-Jährigen und 71% der 20- bis 29-Jährigen mindestens einmal im Monat zu Essen in Einwegverpackungen.

Durch Corona wurde zwar vermehrt zuhause gekocht und gegessen, allerdings hatte auch Essen-to-Go Hochkonjunktur und v.a. Lieferdienste profitierten von der Krise. Essen-to-Go und Essen-on-the-Go führen jedoch unweigerlich zu einer Steigerung der Verpackungsmüllmengen – einer Auswirkung der Corona-Pandemie, der u.a. Spanien mit einer Verpackungssteuer begegnen will.

Eine ähnliche Auswirkungen haben der Trend zu mehr Single-Haushalten, aber auch zur Individualisierung im Essverhalten. Beide Trends führen zu erhöhter Nachfrage nach kleineren Packungsgrößen, aber auch erhöhten Ansprüchen an die Verpackung, in Hinblick auf Portionierbarkeit und Wiederverschließbarkeit. Während dies einerseits der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken kann und damit im Einklang mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit steht, wird andererseits mehr Verpackungsmaterial benötigt.

Auch, dass durch die Coronakrise die Megatrends Gesundheits und Regionalität verstärkt wurden, hat Folgen für das Thema Verpackung. Verbraucher*innen achten auf gesunde, regionale Lebensmittel, v.a. die Biobranche boomt. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach Hygiene. In Europa fragten Verbraucher*innen daher wieder verstärkt verpackte Ware und auch in Folie und Plastik verpackte Ware nach.

2. Im tatsächlichen Einkaufsverhalten ist die Nachhaltigkeit der Verpackung nicht das ausschlaggebende Kriterium

Nachhaltigkeit gewinnt als Kriterium für die Produktwahl an Bedeutung, doch für die tatsächliche Kaufentscheidung sind oft andere Kriterien relevanter.

Nach wie vor ist der Preis oft das entscheidende Kriterium. Zwar signalisieren insbesondere die an Nachhaltigkeit interessierten Personen eine große Bereitschaft, mehr für nachhaltig verpackte Produkte zu zahlen – in der YouGov-Studie Nachhaltigkeit im Food Bereich äußerten sich z.B. 77% der nachhaltigen Verbraucher*innen dahingehend, jedoch nur 35% der weniger nachhaltigen Verbraucher*innen. In der tatsächlichen Kaufsituation entscheiden Verbraucher*innen dann trotzdem v.a. anhand des Preises.

Der Preis ist jedoch nicht das einzige Kriterium, das letztendlich die Entscheidung gegen ein nachhaltig verpacktes Produkt beeinflussen kann. Bei der Wahl eines Produktes sind es v.a. produktspezifische Eigenschaften, die den Ausschlag geben, also z.B. Regionalität, Frische, Geschmack, Qualität. Auch die, oft mit Verpackung assoziierten Themen Hygiene, Haltbarkeit und Komfort spielen für die Entscheidung eine Rolle. Je nachdem, wie relevant diese Kriterien für den/ die Verbraucher*in beim jeweiligen Produkt sind, rückt die „Nachhaltigkeit“ als Entscheidungskriterium in den Hintergrund. Das betrifft auch Produktkategorien, in denen Nachhaltigkeit aus Verbraucher*innensicht eigentlich wichtig ist: Bei Fleisch- und Wurstwaren entscheiden sich Verbraucher*innen oft für Kunststoffverpackungen, da diese „Hygiene“ vermitteln.

Kunststoffverpackungen garantieren aus Verbraucher*innensicht nicht nur die Frische des Produktes, sie lassen durch ihre Transparenz auch eine Qualitätskontrolle zu. Diese Kriterien sind, zusammen mit dem Preis, ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Welche Verpackungsalternative Verbraucher*innen wählen, hängt dabei allerdings auch von ihrem Umweltbewusstsein ab, wie z.B. eine Kaufsimulation im Rahmen der NNZ-Packungsstudie für Weichobst verdeutlicht:

  • Verbraucher*innen mit weniger ausgeprägten ökologischen Bewusstsein entschieden sich hier aufgrund von Preis und der Transparenz der Verpackung für Plastikverpackungen.
  • Für die umweltbewusste Zielgruppe sind Zellstoff- und Pappverpackungen die Lösung. Sie sind auch bereit, mehr für Produkte in dieser nachhaltigen Verpackung zu zahlen.

3. Wissensdefizite beim Thema „nachhaltige Verpackungslösungen“

Verbraucher*innen wünschen sich nachhaltige Verpackungslösungen. Doch sie können die Nachhaltigkeit unterschiedlicher Verpackungsmaterialen oft nicht bewerten.

Auch fehlt es an Kenntnissen zu Umweltsiegeln: In einer NNZ-Packungsstudie erkannten befragte Verbraucher*innen in Deutschland aus 13 Umweltsiegeln lediglich das Möbiusband und das Umweltzeichen Blauer Engel. Umweltsiegel haben daher wenig bis keinen Einfluss auf das Kaufverhalten. Ebenso herrschen Wissenslücken in Bezug auf Trendwörter aus dem Bereich der Nachhaltigkeit: Was Buzzwords wie „CO2-Fußabdruck“ oder „biologisch abbaubar“ wirklich bedeuten ist vielen Verbraucher*innen nicht bewusst. Wissensdefizite in Hinblick auf Nachhaltigkeit führen z.T. zur Überforderung der Verbraucher*innen. In der YouGov-Umfrage Nachhaltigkeit im Bereich Food gaben 51% derjenigen Verbraucher*innen, die weniger auf Nachhaltigkeit achten, an, sich beim Thema überfordert zu fühlen. Letztlich führt mangelndes Wissen über die Nachhaltigkeit von Verpackungsmaterialien zu einer vereinfachten Beurteilung unterschiedlicher Verpackungsmaterialien: Kunststoffverpackungen werden von Verbraucher*innen dabei als generell nicht nachhaltig eingeschätzt und mit Umweltschäden oder Plastikmüll assoziiert. Verpackungen aus Papier und Karton werden dagegen als besonders nachhaltig wahrgenommen und daher sehr positiv bewertet. Die Umsetzung wirklich nachhaltiger Verpackungslösungen ist angesichts dieser vereinfachten Wahrnehmung schwierig.

Fazit

Mit dem wachsenden Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit und dem Wunsch, das eigene Leben nachhaltiger zu gestalten, wächst auch der Wunsch nach nachhaltigen Verpackungsalternativen. Die generelle Akzeptanz dieser Verpackungslösungen ist unter deutschen und europäischen Verbraucher*innen hoch. Die tatsächliche Kaufbereitschaft von Produkten in nachhaltigen Verpackungen hängt jedoch von weiteren Faktoren ab. Beim Kauf von Lebensmitteln sind für Verbraucher*innen neben dem Preis insbesondere die Qualität und Frische der Ware entscheidend. Konsument*innen achten auf das Aussehen des Produktes. Verbaucher*innen bevorzugen Verpackungen, die die Qualität und Frische des Produktes unterstreichen und schützen, die eine Überprüfung dieser Aspekte ermöglichen und die die Hygiene gewährleisten.

Wollen Verpackungsindustrie und Handel dem Verbraucher*innenwunsch nach mehr Nachhaltigkeit bei Verpackungslösungen entsprechen und Verbraucher*innen dabei unterstützen, auf wirklich nachhaltige Verpackungslösungen umzusteigen, müssen diese Aspekte genauso berücksichtigt werden wie die Megatrends im Konsumverhalten. Zentral ist dabei auch die Bekämpfung von Wissensdefiziten rund um das Thema nachhaltige Verpackungslösungen.

Im März 2022 erscheint die dritte Auflage unseres Research Papers “AUSGEPACKT: Mythencheck nachhaltige Verpackungsmaterialien”. Tragen Sie sich jetzt in unsere Mailing-Liste speziell zum Thema Nachhaltigkeit ein, um keine Inhalte rund um den Launch zu verpassen.

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