Nachhaltige Verpackungen Lebensmittel – 2022 im Trend?
Die Ergebnisse unserer Umfrage unter ausgewählten Branchenfachleuten entlang der Wertschöpfungskette in der Verpackungsindustrie zeigt: es ist viel in Bewegung, aber zu viel Innovation stehen die Expert*innen skeptisch gegenüber. Manifeste Hürden und wenig Austausch innerhalb der Supply Chain erschweren die Weiterentwicklung bei nachhaltigen Lebensmittelverpackungen.
Algen, Bambus, Gras, Stroh, Maisstärke, Pilzmyzel, PLA – innovative nachhaltige Verpackungsmaterialien gibt es viele; alternative Konzepte wie Unverpackt oder Refill-Systeme erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, denn immer mehr Verbraucher*innen sind für das Thema Verpackungsmüll sensibilisiert und wünschen sich nachhaltige Lösungen. 76% der Befragten antworteten in einer Ipsos-Umfrage 2019 zum Beispiel, dass sie beim Einkauf auf Nachhaltigkeit achten und versuchen, die eigne Umweltbilanz zu verbessern.
Im Zusammenhang mit der dritten Auflage unseres Research Papers Ausgepackt (€€), das Sie hier direkt erwerben können, haben wir ausgewählte Branchenkenner*innen gebeten, an einer Umfrage teilzunehmen. Von den angefragten 301 Personen nahmen 54 an der Umfrage teil. Sie kamen aus allen Branchen mit einem Schwerpunkt in der Beratung, im Maschinenbau und Herstellung. Parallel dazu führten wir sechs Tiefeninterviews.
Gemischtes Bild
Unsere Kernfrage war: Entwickelt sich das Thema Nachhaltige Lebensmittelverpackungen im Jahr 2022 vom Nischenthema zum Mainstream? Welche der zahlreichen nachhaltigen Verpackungskonzepte sind für die Lebensmittelbranche tatsächlich relevant? Die Ergebnisse der explorativen Trendumfrage Nachhaltige Lebensmittelverpackungen 2022 zeigen ein gemischtes Bild.
Natürlich wirkt auch hier die aktuelle Weltlage: Corona hat das Thema Nachhaltigkeit zurückgeworfen, gleichzeitig sind Rohstoffmangel und hohe Energiepreise nicht erst seit Putins Angriff auf die Ukraine Aspekte, die die Verpackungsindustrie zum Sparen zwingen.
Vor Ausbruch des Krieges waren die Befragten hinsichtlich der Frage, ob das Thema Nachhaltige Lebensmittelverpackungen in diesem bzw. dem nächsten Jahr einen Durchbruch erleben wird, gespalten:
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Weitere InformationenEinem häufig genannten „Ja, weil das Bewusstsein steigt” steht ein „Nein, weil kein Umdenken in der breiten Bevölkerung erfolgt” gegenüber; dem „Ja, aufgrund des politischen Drucks” ein „Nein, da es wenig Anreize gibt” oder ein „Nein, da es keinen gesetzlichen Zwang gibt”. Der häufigste Grund, warum die Befragten skeptisch sind, ist ein ökonomischer: „Keiner will die höheren Preise zahlen”, oder positiv ausgedrückt: „Nachhaltige Verpackungen können den Durchbruch erleben, wenn Verbraucher und Wirtschaft bereit sind, die höheren Preise zu zahlen.”
Mythos Verbraucher:in
Verbraucher*innen, das zeigen die Detailantworten, wird eine entscheidende Rolle eingeräumt, ob und wie das Thema nachhaltige Lebensmittelverpackung sich beschleunigen lässt. In den Tiefeninterviews wird deutlich, dass der Verbraucherwille zur nachhaltigen, oft teureren oder „weniger schönen” Verpackung generell bezweifelt wird. Im Podcast #11 geht Anja Mutschler mit Prof. Dr. Katharina Klug und dem Verpackungsdesigner Magnus Fischer diesem Verbraucherwillen nach nachhaltigem Konsum auf den Grund. Im Research Paper Ausgepackt analysiert Prof. Dr. Sandra Meister dieses Bild vom Verbraucher kritisch und kommt zu anderen Ergebnissen.
Die dritte Auflage unseres Research Papers AUSGEPACKT: Mythencheck nachhaltige Verpackungsmaterialien ist erschienen.
Research Paper: Ein wissenschaftlich fundierter, zugleich anwendungsbezogener Einblick in aktuelle Debatten. Wir nehmen Makro- und Mikrotrends unter die Lupe, prüfen die Fakten und entwickeln mit interdisziplinärem Blick praktikable und stimmige Lösungswege.
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Weitere InformationenInteressant vor diesem Hintergrund ist, dass nicht Kundenwünsche, sondern Rentabilität und Regularien, als Umsetzungshürde gelten. Auch die Anforderungen an Logistik und Transport, die eine Verpackung erfüllen muss, erschweren einen Umstieg auf nachhaltige Verpackungslösungen. „Verbraucherwünsche” wurden in unserer Umfrage nur von 30% der Befragten aus Hürde genannt und damit genauso oft wie, Stand Januar/Februar 2022, „Fehlende Rohstoffe”. Mehrfachangaben waren zulässig.
Mindestens drei der sechs interviewten Branchenexperten gaben allerdings im Gespräch an, dass der „Shelf Impact”, also die Wirkung der Verpackung im Laden, bei strategischen Fragen zur nachhaltigen Verpackung wesentlich sei. Auch „Umsetzbarkeit/Design” spielten in den Interviews eine deutlich größere Rolle als in der Umfrage. Möglicherweise sind diese „weichen”, jedoch komplexen Fragestellungen, bei denen viele Aspekte zusammenspielen die eigentlichen Killerkriterien für den Erfolg oder Misserfolg von Nachhaltigkeitsstrategien. Laut Magnus Fischer zumindest ist kein einzelner Faktor ausschlaggebend, sondern, die, wie er in einem Beitrag für das Research Paper schrieb [irgendwas mit holistisch/ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement/Mut Fehler zu machen/Mentalität …]. In den einzelnen Antworten und Tiefeninterviews wurde „Rentabilität” aber auch als etwas beschrieben, das neben den Rohstoff- und Energiekosten von der Bereitschaft der Verbraucher*innen abhinge, höhere Preise oder weniger attraktive Verpackungen zu akzeptieren. Direkt oder indirekt wird die Machbarkeit von Nachhaltigkeit damit zu einer, oftmals vermuteten, Frage von Akzeptanz.
Lieber recyceln als experimentieren
Welche sind die relevantesten alternativen Verpackungsmaterialien für die Lebensmittelbranche? Wir haben unsere Umfrageteilnehmer*innen darum geben, ausgewählte Verpackungsoptionen zu ranken. In der öffentlichen Kommunikation präsent sind sehr innovative Materialien wie Bioplastik oder Pilze. Die Auswahl der aktuell relevanten Verpackungen haben wir mit der Hauptautorin des Research Papers, Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt, erstellt.
Das Ergebnis dürfte überraschen: Die meisten Teilnehmenden wählten „Unverpackt” auf Platz eins, gefolgt von „Recyclebares Plastik / Rezyklat”. Bezogen auf die gesamte Rangfolge bildeten übrigens die etablierten und im Verpackungskontext verbreitetsten Materialien „Mehrwegglas”, „Recyclebares Plastik / Rezyklat” sowie „Papier / Pappe / Papierersatz” die Top 3.
Mehrweg und Recycling stehen bei der Frage nach mehr Nachhaltigkeit vor neuen Lösungen wie Essbaren Coatings oder Pilzmyzel als Styroporersatz. Auch Biokunststoffe, obwohl sie zu den innovativsten Konzepten in Sachen nachhaltige Verpackungsmaterialien zählen, spielen noch keine relevante Rolle.
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Weitere InformationenIm Gesamtbild der Umfrage passt diese eher bedächtige Auswahl ins Bild.
Nach Ideen für andere Verpackungen gefragt, fällt den Befragten allerdings doch noch einiges ein. Mit dabei sind auch Bambus und Zuckerrohr – beide schneiden nach unseren Analysten des Research Papers in der Ökobilanz nicht gut ab.
Fazit
Die Ausgangsfrage, ob das Thema Nachhaltige Verpackungen den Mainstreammarkt erreicht, wird uneinheitlich beantwortet. Der Markt sieht manifeste Hürden und räumt eher inkrementellen Verbesserungen in Recycling und Mehrweg Chancen ein als disruptiven Innovationen. Bisweilen werden Klischees reproduziert, insbesondere gilt dies mit Blick auf den „geheimnisvollen Verbraucher”. Die Wünsche von Konsumentinnen wurden in dieser Branchenumfrage nicht spezifisch untersucht, die Analyse von Studien in der aktuellen, dritten Auflage des Research Paper Ausgepackt zeigt aber, dass das Bild des „Verbrauchers, der ja nicht will“ fehlgeht bzw. veraltet ist. Manche dieser Mythen in Bezug auf die Umsetzbarkeit von Nachhaltigkeit und Verpackungen halten sich hartnäckig (im Übrigen auch unter den Verbraucherinnen, die in der Regel nicht wissen (können), wie nachhaltig eine Verpackung wirklich ist und nach Ästhetik und Markenphilosophie entscheiden). In den Tiefeninterviews zeigte sich, dass es jeweils ein anderer Zweig der „Packaging Supply” war, der aus Sicht des Befragten „mehr tun könne”. Das Gespräch zwischen allen Stakeholdern in der Verpackungsindustrie, ein Runder Tisch, scheint überfällig. Dass das Thema wichtig für die Branche ist, zeigen die Einzelantworten in Umfrage und Interviews. Auch die hohe Responserate von 17% spricht für eine hohe Relevanz des Themas. (üblich sind 2,5-10%).
Jetzt reinhören: unsere Podcast-Folge zum Thema Nachhaltiger Konsum
Research Paper "Ausgepackt"
Die Frage, wie nachhaltig eine Verpackungslösung ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Doch einfache Antworten werden bevorzugt. Und so kommt es immer wieder zum Hype um einzelne Lösungen, – ein prominentes Beispiel ist die Stofftasche – deren vermeintliche, erhebliche Vorteile in puncto Nachhaltigkeit dann bei genauerem Hinsehen revidiert werden müssen. Und das auch zu Lasten der Suche nach und des Vertrauens in neue, nachhaltige Alternativen. Vor diesem Hintergrund haben sich die Nachhaltigkeitsexpert:innen bei 20blue entschieden, einen Überblick zu den verschiedenen Verpackungsarten und Bewertungsstrategien hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsperformance zu erarbeiten - mit Schwerpunkt nachhaltige Lebensmittelverpackungen. Dieser Mythencheck ist nützlich für alle, die konkret am Thema nachhaltige Verpackung arbeiten. Dieses Research Paper wurde 2020 zum ersten Mal veröffentlicht, die aktuelle erweiterte Auflage stammt aus 2022.
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