Digital Empathy @ Conversational Commerce
Nicht erst ChatGPT hat gezeigt: wir werden in Zukunft mit Maschinen interagieren und kommunizieren. Katharina Klug zeigt in ihrem Expert Statement was sich hinter Conversational Commerce verbirgt und wie in Zukunft die Digitale Empathie eine Rolle spielen wird.
Dass wir künftig intensiver mit Maschinen interagieren und kommunizieren ist spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT offensichtlich. Sie führt uns jedoch auch die Komplexität einer Mensch-Maschine-Kommunikation vor Augen; nicht zuletzt als Microsoft zu Beginn des Jahres 2023 gezwungen war, seinen KI-Chatbot nach übergriffigen Antworten „an die Leine“ zu legen. Während die zwischenmenschliche Konversation vom empathischen Austausch lebt, sind mitfühlende Maschinen für viele schwer vorstellbar. Aber auch Maschinen sind dazu fähig, empathisch auf ihre Nutzer*innen zu reagieren. Wie sich diese sogenannte Digitale Empathie gestalten lässt, ist für Entscheidungsträger*innen gleichermaßen relevant und herausfordernd.
ChatGPT ändert alles
Technologische Entwicklungen verändern nicht nur unseren Umgang mit Suchmaschinen, sondern auch die Interaktion zwischen Unternehmen und Verbraucher*innen. Als am 30. November 2022 das US-amerikanisches Startup OpenAI ihren Chatbot ChatGPT veröffentlichte, ging ein neugieriges Raunen durch Medien, Unternehmen und Nutzer*innen. Seither ist der Andrang an neugierigen Chattenden für ChatGPT millionenfach und führt regelmäßig zur Serverüberlastung, denn die Qualität seiner generierten Antworten ist beeindruckend. Der unterdessen zu Microsoft gehörige und in deren Suchmaschine BING integrierte Chatbot sorgte Anfang des Jahres gleich wieder für Aufsehen als der Konzern ihn abschalten musste, nachdem der Bot als „übergriffige und unangemessen empfundene“ sowie „ausfällige“ Antworten gab. Derzeit lässt sich die generative Künstliche Intelligenz (KI) – nicht zuletzt zu Trainingszwecken – kostenlos nutzen. Sie lernt dabei ständig dazu und entwickelt sich rasant weiter. Schüler*innen lassen sich Hausaufgaben lösen, Studierende Hausarbeiten schreiben, Hobbyköche Rezepte kreieren und IT-ler Programmcode produzieren. All das geschieht auf so hohem Niveau, das User*innen fasziniert sind wie bislang noch von keiner anderen Chatbot-Konversation. ChatGPT und seine Nachfolgetechnologien (aktuell GPT-4) arbeiten mit unfassbar vielen Parametern: 175 Milliarden waren es bei GPT-3, 100 Billionen sind es beim nur wenige Monate später erschienenen Nachfolger GPT-4.
Chatbots im Conversational Commerce
Chatbots gehören zu den sich rasant ausbreitenden Formen im Conversational Commerce, die stetig an Bedeutung gewinnen. Conversational Commerce setzt Kommunikationsmedien wie Messaging-Diensten und Chats im E-Commerce ein, um Nutzer*innen durch Konversation zum Kauf zu begleiten. Mit ChatGPT spielen intelligente Sprachsteuerungen und Textausgaben eine immer wichtigere Rolle. Die Anwendungsfälle in Kundenkommunikation und Vertrieb sind vielfältig und reichen von kuratierten Bestellprozessen in Online-Shops bis hin zu assistierten Eingaben von Zählerständen beim Energieversorger.
Aus der Sales & Service-Forschung ist bekannt, dass zwischenmenschliche und emotionale Faktoren in der Unternehmens-Kunden-Interaktion besonders wichtig sind. Nicht selten entscheidet die persönliche Empathie zwischen Kund*innen und Servicemitarbeitenden über Verkaufserfolg und Markenwahrnehmung. Konsument*innen, die den Kundenservice als empathisch erleben, bewerten das Kauferlebnis insgesamt positiver. Bislang konnten Chatbots das Servicepersonal unterstützen, da Chatbots effektiver und entlastender für Mitarbeitende sind, wenn beispielsweise einfache und wiederkehrende Fragen beantwortet werden sollen. Mithilfe generativer KI wie bspw. ChatGPT lässt sich die Zufriedenheit auf einem bislang unerreichten Niveau schneller und effizienter verbessern – vorausgesetzt, der Bot agiert empathisch und auf das Gegenüber abgestimmt.
(Digitale) Empathie als Schlüssel gelungener (Chatbot) Konversation
Empathie gilt als Einfühlungsvermögen und bezeichnet das Nachempfinden vermuteter Emotionen des Gegenübers. Empathisch zu sein bedeutet, emotional vorausschauend auf den Interaktionspartner zu reagieren und seine individuelle Perspektive nachzuvollziehen. Empathie ermöglicht es uns, die Bedürfnisse des Gegenübers (emotional) zu fühlen und (kognitiv) zu verstehen. Empathische Servicemitarbeitende sind in der Lage, Emotionen der Kundschaft zu erkennen und zu verstehen sowie angemessen darauf zu reagieren.
Obwohl Empathie als eine zutiefst menschliche Fähigkeit gilt, belegen Studien, dass auch Maschinen zur Empathie fähig sind. Diese sogenannte Digitale Empathie bedeutet, dass sich digitale Technologien während der Interaktion in die Gefühle und Gedanken der Nutzer einzufühlen, um eine empathische User Experience (UX) zu erreichen. Vereinfacht ausgedrückt: Eine Maschine (z.B. ChatGPT) antizipiert die Emotionen und Reaktionen eines menschlichen Gegenübers und geht während der Konversation darauf ein. Ganz so wie ein empathischer menschlicher Kommunikationsteilnehmender auf sein menschliches Gegenüber eingeht.
Empathische Mensch-Maschine-Konversation (z.B. Chat-Talks) umsetzen
Best Practices demonstrieren, dass eine empathische Mensch-Maschine-Konversation bereits angewandt wird. Exemplarisch seien Woebot und Wysa aus dem Bereich Mental Health genannt; empathische Bots, die Menschen bei der Bewältigung von Angstzuständen oder Stress unterstützen.
Um digitale Empathie in der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen erfolgreich auszugestalten, stehen Business-Entscheider*innen (z.B. aus dem Marken-/Marketingmanagent, der Produktentwicklung oder dem UX-Design) vor Fragen wie:
- (Wie) kann die Kommunikation zwischen (digitaler) Technologie & Menschen emotional(er) ablaufen?
- Sind menschliche Empathie-Faktoren auf Maschinen (z.B. Chatbots) übertragbar?
- Welche Mechanismen führen zu einer empathischen User Experience?
Immer mehr Unternehmen und Untersuchungen widmen sich der emotionalen User Experience und zeigen, wie digitale Empathie bspw. mittels apparativer Methoden wie Facial Coding, Eye Tracking erfassbar ist. Technologien wie Affective Computing (= emotionale Künstlicher Intelligenz) unterstützen dabei, menschliche Emotionen in Echtzeit sensorisch zu erfassen, zu analysieren und zu verarbeiten. Bisherige Studien zum Thema Mensch-Maschine-Konversation (z.B. Chatbots) zeigen erfolgsentscheidende Faktoren.
Hier einige Key-Fakts mit Fokus auf Chatbots als Markenbotschafter bzw. Chatbots im Conversational Commerce:
Fokus Markenunternehmen
- In der Mensch-Maschine-Konversation sollte eigenen Marken-/Unternehmenspersönlichkeit für Nutzer*innen (wieder)erkennbar sein, um sich branchen- und produktkategorie-spezifisch von allumfassenden Lösungen wie Amazon, Facebook, Google & Co. abzugrenzen.
- Eine erfolgreiche Mensch-Maschine-Konversation bietet Nutzer*innen eine empathische und kontextbezogene Interaktion und schafft eine subtile Verbindung zur Marke (ohne beeinflussend wahrgenommen zu werden).
Fokus Conversational Commerce
- Die empathische Qualität einer Mensch-Maschine-Konversation, d.h. ihre digitale Empathie-Fähigkeit, entscheidet über ihren Erfolg.
- Chatbots als Konversationspartner sollten weniger emotionale Empathie zeigen, um die reelle „Distanz“ zwischen Nutzenden und Chatbot zu wahren.
- Chatbots als Konversationspartner sollten verstärkt auf kognitive Empathie fokussieren, um im sozialen Austausch eine Vertrauensbasis zu schaffen.
- Nutzer*innen erwarten von Chatbots neben menschlicher Empathie eine maschinelle Fehlerfreiheit.
Let`s ask ChatGPT
Bisherige Erkenntnisse fokussieren auf einzelne Empathie-Aspekte einer Mensch-Maschine-Konversation (z.B. Reziprozität, Umgang mit Fehlern). Spannend wird es jedoch dann, wenn solche menschlichen Austausch-Mechanismen zusammen auftreten wenn eine Maschine erkennen, welche Mechanismen beim Gegenüber besonders wirksam sind – so wie ein sehr empathischer Mensch es in einem Gespräch tun würde. Mit ChatGPT und anderen generativen KIs gibt es nun reichlich Gelegenheit zu testen und einem Chatbot Empathie „beizubringen“. Im Übrigen weiß, ChatGPT sehr wohl etwas zu dem Thema zu sagen. Auf die Frage, was einen Chatbot empathisch macht, nennt ChatGPT vier Möglichkeiten:
Verwendung von Spracherkennung und Analyse von Texten: Ein Chatbot kann so programmiert werden, dass er die Absichten und Emotionen eines Benutzers durch die Analyse der Sprache und des Schreibstils erkennt. Durch die Verwendung von Technologien wie Natural Language Processing (NLP) und Sentimentanalyse kann der Chatbot den emotionalen Zustand des Benutzers erfassen und darauf reagieren.
Personalisierung: Ein empathischer Chatbot kann auch durch Personalisierung erreicht werden. Durch die Verwendung von Benutzerdaten wie Verlauf, Präferenzen und Interaktionen kann der Chatbot personalisierte Antworten und Empfehlungen geben, die auf den individuellen Bedürfnissen des Benutzers basieren.
Verwendung von empathischen Antworten: Ein empathischer Chatbot kann auch durch die Verwendung von empathischen Antworten erreicht werden. Das bedeutet, dass der Chatbot Antworten gibt, die auf die Bedürfnisse und Emotionen des Benutzers abgestimmt sind. Zum Beispiel kann der Chatbot tröstende Worte verwenden, wenn der Benutzer frustriert oder traurig ist, oder er kann positive Verstärkung geben, wenn der Benutzer erfolgreich ist.
Fehlerbehandlung: Ein empathischer Chatbot kann auch durch die Art und Weise, wie er mit Fehlern oder Fehlern umgeht, empathischer gestaltet werden. Ein gut gestalteter Chatbot wird nicht nur eine Lösung für das Problem des Benutzers anbieten, sondern auch Mitgefühl und Verständnis zeigen, wenn der Benutzer sich frustriert oder verärgert fühlt.
Auch wenn die Antworten (bislang) eher generalistisch sind und mechanisch vorgetragen werden, wird eines deutlich: ChatGPT kennt das Konzept der Digitalen Empathie und versucht sie gezielt einzusetzen, um „dem Benutzer ein Gefühl von Verständnis und Unterstützung [zu] vermitteln und eine menschliche Interaktion [zu] simulieren“. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das andauernde Training die KI empathischer macht.
Critical View & Prompt Engineering
Bei all den genannten Aspekten um generative KI darf jedoch nicht außer Acht bleiben, dass ChatGPT & Co. sowohl faktische Fehler in den Ergebnissen als auch „unangemessene“ Antworten erzeugen. Werden falsche Antworten als richtig ausgegeben oder Konversationspartner zu verstörenden Handlungen aufgefordert zeigt dies, dass menschliche Fakten- und Kontextwissen unerlässlich bleibt. Nicht zuletzt führt dies vor Augen, dass wir als User die passgenaue Nutzung generativer KI noch lernen müssen – so wie einst die Google Suche.
Ein richtiges „Prompt Engineering“ wird bei der Anwendung generativer KI eine wichtiger Digital Skill: Welche Fragen stelle ich Chat-GPT genau? Welchen Kontext muss ich angeben? Wie kann ich mittels gezielter Nachfragen die Ergebnisse verbessern? Kurzum: Wie lässt sich eine KI gezielt trainieren, um sie bestmöglich nutzbar zu machen?
Expert Insight Alephverse
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