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20blue minutes #12: Prof. Dr. André Reichel

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Ein Beitrag von Kristian Schulze

Kristian Schulze arbeitet als Journalist, Redakteur und Reporter in Leipzig, wo er Journalistik und neuere Geschichte studiert hat.

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Veröffentlicht: 16.03.2023

Lesezeit: 4 Minuten

Letzte Änderung: 24.11.2023

Themen:

Schlagworte:

  • #innovation
  • #wirtschaft

In der zwölften Folge der 20blue minutes spricht Anja Mutschler mit Prof. Dr. André Reichel über Post-Wachstum und die spannende Frage, ob und wie Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren kann.

Podcast pro Post-Wachstum

In der neuen 20blue-Podcast-Folge geht es um eine Gretchen-Frage: Geht Wirtschaft ohne Wachstum, wie und warum? Für viele noch immer überraschende Antworten gibt hier Prof. Dr. André Reichel von der International School of Management in Stuttgart.

Eine davon: Das „Wachstumsding“ ist für den Mittelstand nicht zwingend, vielleicht eher Stabilität und eine Frage wie die am Ende der Podcast-Folge: „Wie klein kann ich meinen Profit werden lassen, um trotzdem gut über alle Runden zu kommen?“

Zuvor aber zerlegt Reichel diverse Dogmen: Ohne Wachstum keine Innovation? Nicht zwingend, meint der Experte, und vielleicht ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung hier auch umgekehrt. Dabei setzt Reichel gleich noch einen anderen alten Hut ab, dass Regulierung freies Unternehmertum und Kreativität und deshalb Innovation störe. Er meint, Regulierung etwa im Umwelt- und Klimaschutz habe Innovation zur Folge. Denn einfacher, als woanders zu produzieren, sei es oft, sich durch Innovation anzupassen.

Auch habe Wirtschaftswachstum nicht direkt mit einer gerechten Verteilung von Wohlstand zu tun oder mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Das seien eher politische Fragen, sagt Reichel: „Wenn stürmisches Wachstum die Vorbedingung von Freiheit sein sollte, dann müsste ja China eines der freiesten Länder der Welt sein.“

Auch sei Wirtschaftswachstum gemessen an den üblichen BIP-Kennzahlen als „Zunahme der zu Marktpreisen abgesetzten Güter und Dienstleistungen“ nun „nicht zwingend ein guter Maßstab für den Wohlstand einer Gesellschaft“.

Hier trifft sich Reichel mit der Kritik etwa von Mariana Mazzucato, die für Wohlstand und Verteilung wichtige Fragen nach Werten stellte und danach, wer sie erzeugt und wem sie zustehen. Auch Reichel geht es letztlich wohl darum, neu zu definieren, wem Wirtschaft dienen soll – der Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen, heute gern als „Verbraucher“ beschrieben, oder der Bedürfnisse der Besitzer von Kapital, die es halten und vermehren wollen. Beide sind nicht immer leicht auseinanderzuhalten.

Indem er nun aber die Fäden der gängigen Erzählungen von Wohlstand, Wachstum, Arbeit, Geld, Innovation und Freiheit auseinander legt, zeigt Reichel, dass sie nicht zwangsläufig so verbunden sind oder es sein müssen, wie immer noch oft behauptet wird, und dass Wirtschaft als sozialer Prozess keine übermenschlichen Gesetze kennt.

Auch dieser Denkfehler aus dem 19. Jahrhundert steht ja neuen Vorstellungen von Wirtschaft und Wachstum im Weg, so wie Reichel unsere heutige Sicht auf Arbeit als eine des 19. Jahrhunderts beschreibt. Er hält es für möglich, von einer produktiven zu einer eher reproduktiven zu kommen, wenn er etwa zu sprechen kommt auf Kreislaufwirtschaft als eine Möglichkeit, ohne Wachstum weiter zu kommen.

Reichel gelten dabei viele alte Zöpfe als abgeschnitten: Die neoliberalen Zeit der 1980er- bis 2000er-Jahre, „der Markt macht alles, der Staat soll sich zurückhalten, jeder ist für sich selbst verantwortlich, und all so Zeugs: Das alles ist ja vorbei.“ Seit 15 Jahren sehe man eine „Wiederkehr des Staates, der ja immer da war“. Man habe nur so getan, als sei das anders, meint Reichel. Dabei sei der Staat als „immer der größte Einzel-Wirtschaftsakteur“ zurück, und der „Neoliberalismus liegt in Trümmern“.

Da mag nun etwas zu viel Optimismus im Spiel sein. Auch Reichel sieht uns in einer Übergangsphase mit Unsicherheit. Postwachstum sei darum aber ein neues Konzept, „über das man reden muss“. Mit Blick auf vieles, was der „gesunde Menschenverstand“ im politisch relevanten Raum als „öffentliche Meinung“ noch immer für ausgemacht hält, zeigt sich in diesem Podcast auch, dass hier noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist. Und manche mögen nach dem Hören weiter sagen, der Mann sei ein Träumer. Das ist er aber nicht. Und er ist auch längst nicht mehr der einzige.

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